Digitale Welten | Forum: Digitale Welten
Forum: Digitale Welten
Digitalität und Verantwortung
- Gestaltung des digitalen Wandels braucht eine starke kulturpolitische Vision | Digitale Kulturpolitik muss sich als Weiterführung der Aufklärung mit digitalen Mitteln begreifen. Projekte im digitalen Bereich sollten die Idee einer freiheitlich aufgeklärten Gesellschaft stärken und Vielfalt, Offenheit, Selbstbestimmung und Toleranz leben und erlebbar machen. Hieran sollte sich sowohl die Programmgestaltung der Institutionen als auch die Förderpolitik orientieren. Bei dem Einsatz von digitalen Instrumenten, Künstlicher Intelligenz (KI) und Algorithmen-basierten Anwendungen in Kultureinrichtungen sind Datenschutz und Schutz der Privatsphäre strikt einzuhalten. Institutionen und Politik sollten gemeinsam die Etablierung von unabhängigen, gegebenenfalls öffentlich-rechtlichen Plattformen unterstützen und sich für eine nichtkommerzielle Kultur des digitalen Handelns und Kommunizierens (KI im Dienst der Humanität) einsetzen.
- Digitalität und Ökologie | Die größte Herausforderung unserer Zeit ist die ökologische. Sämtliche digitalen Maßnahmen müssen im Bewusstsein ihrer ökologischen Konsequenzen erfolgen. Kulturinstitutionen sollten im digitalen Bereich maximal umwelt- und ressourcenschonend agieren, digitale Investitionen im Verbund organisieren und die digitale Alltagspraxis ökologisch gestalten. Förderungen digitaler Projekte sollten konsequent an ein entsprechendes Nachhaltigkeitskonzept gebunden sein.
- Digitalität fördern – Freiräume schaffen | Die Politik sollte Programme auflegen, die gezielt Kunst- und Kulturprojekte fördern, die mit digitalen Methoden arbeiten oder die sich zur Aufgabe machen, den digitalen Raum zu gestalten. Gleichzeitig sollte die Schaffung und der Erhalt von Arbeits- und Begegnungsräumen für Kunstschaffende und Kreative speziell aus dem digitalen Bereich ein Ziel sein. Für ein unabhängiges digitales Arbeiten sollten Kultureinrichtungen Open-Source- und Open-Access-Lösungen einsetzen. Die Politik und Kulturadministration sollte diesen Einsatz unterstützen und selbst, wo möglich, Open-Source-Programme verwenden. Bei der Entwicklung und Etablierung von Open-Source- und Open-Access-Lösungen sollten sich Kultureinrichtungen, Kulturakteurinnen und -akteure untereinander austauschen und mit Hochschulen zusammenarbeiten. Die Ergebnisse digitaler Förderprogramme müssen als Open Source und Open Access zur Verfügung stehen.
- Das digitale Zeitalter – Wandel als Dauerzustand | Der kulturpolitische Dialog im Bereich Digitalität sollte von der Kulturpolitik intensiviert und verstetigt werden. So sollte eine jährlich stattfindende, international ausgerichtete „Digital-Konferenz Kultur“ zu wechselnden Themen etabliert werden.
Digitaler Wandel in Kulturinstitutionen
- Ganzheitlich-digitale Strategien entwickeln | Die Kultureinrichtungen müssen ihre Strategien im Hinblick auf den digitalen Wandel schärfen. Isolierte digitale Strategien sind dabei nicht die Lösung. Vielmehr sind die Aspekte des Digitalen in die Gesamtstrategien der Häuser zu integrieren. Die Politik sollte die Institutionen mit entsprechenden digitalen Transformationsprogrammen bei der Erarbeitung solcher Strategien unterstützen. Dies könnte im Rahmen der Weiterführung des Förderprogramms „Digitale Wege ins Museum“ erfolgen.
- Digitale Infrastruktur im Verbund ausbauen | Um den digitalen Wandel erfolgreich zu vollziehen, müssen die Institutionen kontinuierlich in die digitale Infrastruktur und in laufende Betriebskosten (Speicher, Hosting) investieren. Dies kann nur im Verbund gelingen. Die Kultureinrichtungen müssen hinsichtlich Hardware-Beschaffung, Speicherlösungen für die Langzeitarchivierung und den damit verbundenen Dienstleistungen Verbünde bilden und gemeinsam agieren (Leasing, Sharing-Lösungen). Spezialinfrastruktur etwa zur Objekt-Digitalisierung (3-D-Scan) sollten so weit wie möglich gemeinsam genutzt werden. „Insel-Lösungen“ sind zu vermeiden. Die Politik sollte digitale Infrastrukturprojekte fördern, die hinsichtlich Investition und Nutzung in Verbünden organisiert und auf nachhaltigen Betrieb ausgelegt sind.
- Digitale Kompetenz aufbauen und langfristig etablieren | Bei der Einstellung und bei der Weiterbildung von Personal (besonders in der Führungsebene) ist sowohl in den Institutionen als auch in der Kulturverwaltung großer Wert auf digitale Kompetenz zu legen. Die Zusammenarbeit des Kulturbereichs mit digitalen Expertinnen und Experten sowie IT-Innovatoren aus den Bereichen Medien, Hochschule, Wissenschaft und Wirtschaft (Start-Ups) sowie die Entwicklung fachspezifischer KI sollte intensiv gefördert werden. Die digitale Kompetenz sollte fest in den Kultureinrichtungen verankert werden. Hierfür sollten feste Stellen für Digitalexpertinnen und -experten und Digitalmanagerinnen und -manager geschaffen werden.
- Einrichtung einer „Kompetenzstelle Digitaliät“ | Die MFG Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg könnte zur Kompetenzstelle Digitalität im Kulturbereich ausgebaut werden. Als solche wäre sie Ansprechpartnerin sowohl für die Kulturinstitutionen als auch für die Kulturverwaltung. Aufgaben wären Weiterbildung, Innovationsberatung und die Organisation des Austausches von Kultur, Wirtschaft und Wissenschaft bei Digitalitätsthemen sowie die Begleitung von Förderprozessen. Das Bibliothekservice-Zentrum (BSZ) könnte die Koordination der digitalen Verbundstrukturen der Kultureinrichtungen (Langzeitarchivierung, Standardisierung, Infrastruktur) koordinieren.
- Wandel der Arbeitskultur – der Weg zur „digital-mutigen Haltung“ | Kulturinstitutionen und die Kulturverwaltung sollten bei Personalbesetzungen besonders im Führungsbereich auf Teamfähigkeit und die Bereitschaft Wert legen, moderne, digitale Arbeitsmethoden einzusetzen. Ziel sollte eine Arbeitskultur sein, die hierarchische Strukturen zugunsten kompetenzbasierter Teamarbeit auflöst und New-Work-Konzepte ermöglicht, das heißt Arbeits- und Kommunikationsprozesse flexibilisiert.
- Neue Förderkultur – Digital ausgerichtet, transparent und partnerschaftlich | Die Kulturpolitik sollte auch künftig Förderprogramme aufsetzen, die gezielt die digitale Transformation unterstützen und digitale Innovation fördern. Förderung sollte dabei als partnerschaftlicher Prozess begriffen werden. Administrative Prozesse bei Ausschreibungen, Förderung, Vergabe und Ressourcenverteilung sollten reaktionsfähig und flexibel sein. Die Komplexität der Aufgabenstellungen im digitalen Bereich erfordert angemessene Ausschreibungsfristen, Begleit- und Feedback-Instrumente. Beim Ausschreibungs- und Förderungsmanagement wäre gegebenenfalls mit der MFG als Kompetenzzentrum Digitalität zusammenzuarbeiten, analog zu „Digitale Wege ins Museum 2“.
- Die neue Rolle der Besucher – Vom Betrachter zum User zum Partner | Um den digitalen Wandel voranzubringen, müssen Kulturinstitutionen die digitalen Besucherinnen und Besucher ernst nehmen. Die Relevanz und Bedeutung der Kultureinrichtungen in einer digitalen Gesellschaft hängt entscheidend von ihrer Wirkung im digitalen Raum ab. Zuwendungen und Förderungen sollten sich entsprechend nicht nur an der realen, sondern auch an der digitalen Besucherresonanz orientieren. Kultureinrichtungen sollten ein partnerschaftliches Verhältnis zu den Besucherinnen und Besuchern sowie zu den Institutionen pflegen und sie bei der Gestaltung ihrer Programme und Vermittlungsprojekte einbeziehen. Von der Politik sollten gezielt partizipative Projekte und besucherorientierte Konzeptionen gefördert werden. Um die Nachhaltigkeit der Programme zu überprüfen, sollten die Projekte kontinuierlich von Besucher- und Nichtbesucherforschungen begleitet werden. Kernkompetenz der Zukunft ist auch im kulturellen Bereich die Digitalkompetenz. Der Bereich „Digital Literacy“ sollte ein zentrales Aufgabenfeld des neuen Kompetenzzentrums Kulturelle Bildung und Vermittlung werden.
- Öffnung der Datenbestände | Im Sinne der Öffnung der Institutionen sollten Kultureinrichtungen und Archive eine möglichst umfangreiche Verfügbarkeit und Nutzbarkeit von Kulturdaten in guter Qualität (Open-Data) und den Einsatz möglichst niedriger Lizenz-Modelle ermöglichen (idealerweise Creative Commons CC0 1.0 Universal). Die Kulturpolitik sollte die Öffnung der Kulturdaten aktiv einfordern. Die Kulturpolitik sollte die Entwicklung von Portalen und Schnittstellen fördern, über die diese Daten zugänglich und nachnutzbar sind. Außerdem sollten digitale Projekte unterstützt werden, die kreativ mit freien Kulturdaten umgehen (vgl. Coding Da Vinci).
- Öffnung der Kultureinrichtungen als Digital Third Places | Vor dem Hintergrund des Öffnungsgedankens sollten sich Kultureinrichtungen nicht nur als kulturelle Bildungsorte, sondern als Third Places oder Dritte Orte verstehen, das heißt als offene, attraktive Begegnungsorte in einer städtischen und ländlichen Gesellschaft. Die Kulturpolitik sollte diese Öffnung fördern und die Kultureinrichtungen baulich und durch eine entsprechende Ausstattung zu Dritten Orten erweitern und auch durch digitale Vermittlungsangebote unterstützen. In diesem Sinne könnte das Kunstgebäude Stuttgart als Vorzeigebeispiel einer neuartigen offenen digital ausgestatteten Kulturinstitution entwickelt werden.